Stellungnahme zum Karlsplatz, 29.07.2021, Anja Fürstenberger

Juhu, es ist vollbracht! Wir haben eine Stimmen-Mehrheit für unser Fraktions-übergreifendes Projekt bekommen! Ich freue mich sehr, dass wir hier weitermachen können 😊

Anbei findet Ihr meine Stellungnahme, die ich vor der Abstimmung in der Gemeinderat-Sitzung vorgetragen habe:

Der ursprüngliche Auslöser für diese Karlsplatz-Initiative war bei uns tatsächlich das fertiggestellte Parkhaus PLUS unsere Beobachtungen zur Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer auf diesem betreffenden Stückchen Karlplatz vor der Einmündung Rosengasse.
In Stoßzeiten herrscht dort ein Gewusel von einparkenden, ausparkenden, wartenden und an der Straße parkenden, wieder umwendenden und durchfahrenden Autos.

Dazwischen suchen Radfahrer ihren Weg.
Und DA-zwischen laufen Menschen kreuz und quer.

Ja: Es gibt Gehwege, aber kaum einer nutzt sie.
Warum? Ich vermute, es fühlt sich nicht nach „Straße mit Gehwegen“ an, sondern nach Platz.
Und auf einem Platz läuft man Luftlinie.

Nein: Ich weiß weder von Verletzten noch von Schlimmerem. Und hoffentlich wird es auch nie dazu kommen. Vielleicht weil es für viele schon so normal geworden ist, die Autos an solchen Stellen immer genau im Blick zu haben.

Ich finde, es ist an der Zeit, hieran was zu ändern.

Vielleicht haben Sie sich mal die Mühe gemacht, die Freitext-Kommentare zur Umfrage zum Radwegekonzept aus der Bevölkerung zu lesen.
Wenn ja, dann haben Sie festgestellt, dass die Punkte „weniger Auto-gerechte Stadt“ und „mehr Sicherheit“ deutlich thematisiert wurden.

Wir könnten jetzt stundenlang darüber diskutieren, ob man in diesem Bereich für Fußgänger mehr Sicherheit oder auch nur mehr „gefühlte Sicherheit“ braucht.

Wir finden: Ja
Aber wir werden nie zu einem Ergebnis kommen, weil das ein sehr subjektives Empfinden ist.

Und genau deshalb möchte ich lieber noch auf die anderen wichtigen DAFÜR-Argumente eingehen bzw. DAGEGEN-Argumente versuchen zu entkräften.

DAGEGEN-Argument „Finanzierung“ – zu hohe Kosten in unserer aktuellen Situation

Ja, wir haben bei unserem Antrag geschrieben, wir machen einen Finanzierungsvorschlag.

Aber ich frage Sie: Wie viele richtig große Beträge packen wir schon seit Monaten in den Nachtrag ohne ein Wort der Gegenfinanzierung?

Warum werden von Fraktionen Gebührenerhöhungen abgelehnt oder gekürzt, ohne vorzuschlagen, wo sonst die fehlenden Mittel herkommen sollen?

Und ich frage Sie, lieber Herr Oberbürgermeister: Warum stehen in der Vorlage die 8.000 Euro jährliche Bauhofkosten, wenn bei keiner einzigen anderen mir bekannten Maßnahme, die wir in der Vergangenheit beschlossen haben, über anfallende Folgekosten mit abgestimmt wurden – geschweige denn sie in einer Beschlussvorlage ausgewiesen wurden!    

Wir hätten liebend gerne die benötigten Mittel auf nahezu 0 runtergefahren, indem wir tatsächlich zusammen mit Schulen, Verbänden und Freiwilligen die Stadtmöbel selbst gebaut und organisiert hätten.

Aber wenn wir eins nicht brauchen können, dann ist es Ärger mit Herrn Kippenhan. Schließlich beschert er uns die schönsten Blumenbeete, die Sinsheim je hatte!
Er hat uns erklärt, warum er das kritisch sieht und unsere Idee des Ehrenamtlich-Bauens nicht unterstützen kann und daran haben wir uns gehalten.

Ich stehe dafür, dass ich bei einer heutigen Zustimmung alles dafür tun werde, diesen veranschlagten Betrag so gut es geht zu minimieren und Sponsoren zu werben. Und ich bin sicher, wir alle werden welche finden.

Und für alles andere, was noch übrigbleibt:
Außer den Kosten für ein paar Befestigungsschrauben, die Transport- und Aufbaukosten ist kein einziger Euro verloren.
Es wird weder was unwiderruflich verbaut noch wird etwas verbraucht.
Alle Kübel, alle Bäume, alle Bänke, alle Fahrradständer, alle Findlinge, sind transportabel und könnten an anderer Stelle eine neue Heimat finden.

Der Burgplatz zumindest würde jubeln über ein paar zusätzliche Pflanzkübel! D.h. diese 25.000 Euro können kein entscheidendes Argument für diese Abstimmung sein.

DAGEGEN-Argument „Weggenommene Parkplätze lassen den Einzelhandel sterben“

Ich wünsch mir die Belebung der Innenstadt mit Menschen und nicht mit Verkehr.

Wir alle hier sind trotz der ganzen kontrovers geführten Diskussion überhaupt nicht weit auseinander. Denn wir alle haben einen Wunsch:

Wir möchten, dass das Horror-Szenario „Verwaiste Innenstädte, Laden-Leerstände, keine Kneipen, nix los“ möglichst an Sinsheim vorbeigeht.

Aber wir haben unterschiedliche Meinungen, was wir dagegen tun können.

In Tim Kegel’s Bericht stand irgendwann mal so schön „In Zeiten, in denen der Einzelhandel mit Amazon konkurriert, muss man bis vor die Ladentür fahren können…“.

Ist das wirklich so?
Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass das unsere Städte nicht retten würde.
Man konnte noch nie vor jedem Laden parken. Auch nicht vor 20 Jahren.

Und selbst wenn dort ein Parkplatz war, hieß das noch lange nicht, dass der grade frei war.

Eine drastische Veränderung der Innenstädte passiert schon, und zwar schon sehr lange.
Und nicht erst seit der Pandemie. Stück für Stück machen seit vielen Jahren Läden zu.  Oder andere sind nur von kurzer Dauer.

Weil die Mieten zu hoch sind, weil der Umsatz zu wenig ist, weil nur noch Ketten sich gute Lagen leisten können. Weil zu viele Menschen nicht begreifen, was sie anrichten, wenn sie alles nur noch online und möglichst billig kaufen … es gibt viele Gründe. Ein Klick vom Sofa aus, alles sofort verfügbar, alles frei Haus. Zeitsparender und einfacher geht’s nicht… dagegen können auch noch so viele Parkplätze direkt vor der Ladentür nicht konkurrieren!

Uns bleibt nur eins … und das ist unsere Chance:
Wir müssen unsere Stärken ausspielen, die wir als Innenstadt haben und noch viel mehr habenKÖNNTEN! Wir müssen die Menschen vom Sofa runter und in unsere Stadt locken! Aber wie?

Es heißt immer so schön „wir müssen die Aufenthaltsqualität erhöhen“.
Aber was heißt das?

Witzigerweise ist es NICHT in erster Linie das Einzelhandels-Angebot, was Menschen bei der Bewertung der Aufenthaltsqualität an erste Stelle setzen.

Sondern es sind solche Dinge wie:
Ambiente, Flair, Plätze zum Verweilen, historische Gebäude, insgesamt ansprechende Architektur, Sicherheit, Sauberkeit, Wasserplätze, die Möglichkeit Freunde zu treffen, Kunst und Kultur genießen, Öffentliches Grün mit Beschattung, verkehrsberuhigte Zonen, Attraktive Außengastronomie, eigene Identität und Unverwechselbarkeit der Stadt.

Und darauf aufsetzend wirkt dann ein breit gefächertes Einzelhandels-Angebot.
Weil die Menschen eh da sind, gehen sie auch da einkaufen. Und hier schließt sich der Kreis.
Das betreffende Stückchen „Karlsplatz“ ist ein lauter, unruhiger, von Autoverkehr durchzogener, hässlicher, kaputter Platz. Und das möchten wir ändern. Hin zu mehr Aufenthaltsqualität.

GEGEN-Argument „Der falsche Zeitpunkt – warten auf die offizielle Umgestaltung“

Es ist genau der richtige Zeitpunkt!

Wir alle wissen, was wir für große Brocken an Ausgaben vor uns haben. Ich sage nur Schule und Feuerwehr. Und ich hoffe, dass auch ein bisschen was für Maßnahmen aus dem Radwegekonzept übrigbleibt.

D.h. wir wissen nicht, wie viele Jahre es noch dauern wird, bis die Umgestaltung des Karlsplatzes ganz offiziell angegangen werden kann.

Sie alle haben bereits 2016 bei der Vorstellung der Freiraumkonzeption im Gemeinderat sehr begrüßt, dass der Karlsplatz für die Zukunft autofrei gesehen wird, WENN ein vernünftiges konzentriertes Parkangebot entlang der Kernzone bereitgestellt ist.

Dieses Parkangebot ist jetzt vervollständigt – und zwar in Form eines zusätzlichen, großzügigen, modernen Parkhauses mit Platz ohne Ende in gerade mal 150 Metern Entfernung.

Und indem wir jetzt (einigermaßen) zeitgleich dieses kleine Stückchen „Karlsplatz“ verändern, haben wir eine wunderbare Möglichkeit, zu testen, wie es sich anfühlt, wenn wir diese Ecke für Fußgänger wieder zurückerobern.
Wenn wir als Radfahrer dort noch einen freien Bügel zum Abschließen finden.
Wenn die Kinder vom Spielplatz noch ein paar Quadratmeter mehr zum Rumrennen haben.
Wenn die Eltern noch ein paar mehr Bänke zum Zuschauen haben.
Wenn dort mal ein Straßenmusikant stehen kann und man versteht ihn sogar.

Und zusätzlich haben wir die perfekte Gelegenheit, ein Gefühl dafür zu kriegen, wieviel Anlieger-Verkehr tatsächlich noch übrig bleibt für eine zukünftige Karlsplatz-Gestaltung.
Denn dass es diesen Anlieger-Verkehr auch zukünftig geben wird, ist klar.
Aber mit dieser „Probephase“ können wir später besser entscheiden, was wir auf dem Karlsplatz wirklich haben wollen … und was für uns bei einer zukünftigen Planung wichtig ist.

GEGEN-Argument „Verschlimm-Besserung“ Ein bisschen mehr Mut und Vorstellungskraft … bitte!

Ein Argument in diesen Reihen war auch, dass unsere Ideen den Platz vielleicht hässlicher machen als er jetzt schon ist.
Dass es vielleicht „Nach nix aussieht“.
Dass man nicht „Die Katze Im Sack“ entscheiden möchte.

Oder Sie denken vielleicht jetzt, so ein paar Bänke und Kübel und ein bisschen „die Straße bunt anmalen“ macht noch lange kein Ambiente.

Aber es ist ein Anfang und es kann sich entwickeln.

Wir haben es in der Hand, was auf diesem Platz passiert. Auch bei einem Provisorium.
Es gibt so viel mehr Ideen, aber wir brauchen diesen Anfang!

Lassen Sie uns doch gemeinsam mal diesen neuen Weg ausprobieren:
Wir haben gemeinsam aus dem Gemeinderat heraus diese Initiative gestartet, genau weil uns Sinsheim am Herz liegt.
Genau weil wir wollen, dass unsere Innenstadt ein Anziehungspunkt bleibt, der die Menschen vom Sofa runterlockt.  

Lassen Sie uns zusammen diesen Platz beleben.
Erst als Test-Phase mit Provisorium, um später mit all dem Wissen den großen Wurf zu machen.

Lassen Sie uns diese GKK Gestaltungskommission Karlsplatz aufrechterhalten und immer wieder neu überlegen, was dort an Angebot möglich sein könnte.

Ich habe noch nicht aufgegeben, dass dort irgendwann doch noch urbanes Gärtnern von engagierten Freiwilligen möglich ist.

Ich habe noch nicht aufgegeben, dass dort eventuell mal ein öffentliches Bücherregal und eine Werbetafel mit den Veranstaltungen der Klima-Arena steht.

Und ich habe auch noch nicht aufgegeben, dass dort vielleicht irgendwann mal eine kleine Bude mit Flammkuchen-Verkauf, leckerem Wein und ein paar Stehtischen außen rum auftaucht.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören und fürs In-sich-gehen!

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