Schule muss ein Ort der Vielfalt & Akzeptanz sein

Seit Wochen sorgt eine Online-Petition für Schlagzeilen. Sie wendet sich gegen Pläne des Kultusministeriums, mit der Bildungsplanreform 2015 auch das Thema „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ im Unterricht zu behandeln. Ziel ist Aufklärung, die Erziehung zu Toleranz und der Abbau von Ressentiments gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen. Der Initiator schürt jedoch Ängste, indem er behauptet, die Lehrpläne zielten „auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung an den allgemeinbildenden Schulen“. Baden-Württemberg ist längst weiter als uns die Ewiggestrigen glauben machen wollen“, betont unser Landesvorsitzender Oliver Hildenbrand im Interview.

Oli, wie ist die Position der Grünen zu diesem Thema?

Wir verurteilen die Online-Petition mit ihren falschen und diskriminierenden Behauptungen. Und wir unterstützen die Pläne des Kultusministeriums. Auf unserem Parteitag in Esslingen im November haben wir den klaren Beschluss gefasst, dass sexuelle Vielfalt Thema im Unterricht sein soll. Wir leben in einer bunten und vielfältigen Gesellschaft. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass Werte wie Toleranz, Respekt und Weltoffenheit in den Schulen vermittelt werden. Für uns Grüne ist die Schule ein Ort der Vielfalt und der Akzeptanz – und kein Ort der Ausgrenzung und der Diskriminierung.

Peter Hauk, Fraktionsvorsitzender der CDU, zeigt Verständnis für die Petenten und meint, die bisherigen Vorgaben seien ausreichend.

Ganz offensichtlich nicht. Allein schon die Kommentare auf der Online-Plattform offenbaren ein erschütterndes Maß an Homo- und Transphobie. „Schwule Sau“ ist leider immer noch ein Schimpfwort, das man oft auf dem Pausenhof zu hören bekommt. Wir müssen daran denken, dass es – statistisch gesehen – in jeder Schulklasse Schülerinnen und Schüler gibt, die entweder selbst homosexuell sind oder die einer Regenbogenfamilie – also mit zwei Müttern oder Vätern – aufwachsen. Das sind Lebensrealitäten, vor denen in der Schule doch nicht die Augen verschlossen werden dürfen, sondern die ganz offen und selbstverständlich angesprochen werden sollten, um Vorbehalte abzubauen und eine wertschätzende Haltung im Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt zu fördern.

FDP-Fraktionsvorsitzender Hans-Ulrich Rülke beschreibt die Konstellation Mann, Frau und Kind als „Idealbild der Familie“. Alle anderen Lebensformen seien „tolerabel, aber nicht gleichwertig“. Ist das eine „tolerable“ Äußerung?

Ganz sicher nicht. Rülke hat sich geoutet und sein enges Familienbild offenbart. Wenn er sagt, andere Lebensformen als die klassische Familie seien nicht gleichwertig, diskreditiert er alle Menschen, die heute in vielfältigen Familien- und Lebensformen Verantwortung füreinander übernehmen: Alleinerziehende, Patchwork- und Regenbogenfamilien. Für die grün-rote Landesregierung sind alle Familien gleich viel wert – und wir unterstützen sie, indem wir gute Rahmenbedingungen schaffen und dafür sorgen, dass Kinder gut aufwachsen und sich gut entwickeln können.

Die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz findet nichts dabei, auf einer Veranstaltung zu referieren, auf der neben dem Initiator der Petition auch die umstrittene „Homo-Heilerin“ Christl Vonholdt sprechen sollte.

Ich bin erleichtert, dass diese unsägliche Veranstaltung abgesagt worden ist. Als selbsternannte „Homo-Heilerin“ will Frau Vonholdt mit pseudowissenschaftlichen Therapieangeboten Menschen von ihrer Homosexualität „heilen“. Diese Pathologisierung von homosexuellen Menschen ist abscheulich und die von ihr propagierten Praktiken sind brandgefährlich. Frau Kurtz bleibt dringend aufgefordert, sich klar und unmissverständlich von der Szene der „Homo-Heiler“ und ihren menschenverachtenden Umpolungsversuchen zu distanzieren. Der beabsichtigte Auftritt der CDU-Landtagsabgeordneten zeigt, dass die CDU in Baden-Württemberg ihren Diskriminierungskurs gegenüber Lesben und Schwulen noch immer nicht verlassen hat.

Kannst du dieser Debatte auch Gutes abgewinnen?

Insgesamt machen die Petition und die Debatte deutlich, warum und dass es dringend geboten ist, weiter für ein Klima der Akzeptanz und der Offenheit zu streiten. In einer modernen und toleranten Gesellschaft müssen sich Menschen angstfrei outen und offen leben können. Das ist dann möglich, wenn Familie, Freunde und Mitschüler sowie die Gesellschaft mit Akzeptanz reagieren. Kinder und Jugendliche sollten deshalb in der Schule etwas über den Alltag, die Geschichte und die rechtliche Situation erfahren und ermutigt werden, gegen Mobbing und Gewalt einzuschreiten. Mir ist es wichtig, zu betonen, dass Baden-Württemberg längst weiter ist als uns die Ewiggestrigen glauben machen wollen.

 

Zum campact-Appell „Vielfalt gewinnt“:

https://www.campact.de/vielfalt-gewinnt/appell/teilnehmen/

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