Landesaktionsplan gegen Gewalt vorgestellt

Am vergangenen Montag wurde im Stuttgarter Rathaus vor rund 250 Fachleuten der Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen vorgestellt. Mit diesem Plan liegen erstmals eine vollständige Übersicht über das baden-württembergische Hilfesystem und zugleich auch ein darauf aufbauender Maßnahmenkatalog vor, um die Hilfen noch zielgenauer zu verbessern. Anders als in anderen Bundesländern nimmt der baden-württembergische Landesaktionsplan nicht allein die häusliche Gewalt in den Blick, sondern auch sexuelle Gewalt, Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsverheiratung. Der Landesaktionsplan, der in einem rund zweijährigen Prozess von allen wesentlichen AkteurInnen erarbeitet wurde, soll in Kürze vom Kabinett verabschiedet werden. Für die Umsetzung der Maßnahmen des Landesaktionsplans stehen in den kommenden beiden Jahren insgesamt rund 3,6 Mio. Euro zur Verfügung.


Charlotte Schneidewind-Hartnagel, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion GRÜNE im Landtag BW, dazu: „Für Frauen bedeutet Gewalt mehr als die körperlichen Misshandlungen. Gewalt zu erleben führt in vielen Fällen neben körperlichen Schädigungen auch zu schwerwiegenden seelischen Belastungen und Erkrankungen. Mit dem Landesaktionsplan wollen wir sicherstellen, dass betroffene Frauen überall im Land sofort Schutz und genau die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.“
Eine wesentliche Weiterentwicklung des Hilfesystems erwartet die grün-rote Landesregierung von der Einrichtung einer Landeskoordinierungsstelle, die die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden und Institutionen auf kommunaler und Landesebene verbessern soll. Unterstützt und begleitet wird die Landeskoordinierungsstelle durch einen Fachbeirat, in dem alle relevanten AkteurInnen vertreten sind. Er soll einen ständigen Austausch und ein gegenseitiges Lernen der Beteiligten voneinander sicherstellen, sowie die Umsetzung der Maßnahmen fachlich begleiten und bewerten.
Trotz angespannter Haushaltslage wird zudem die finanzielle Unterstützung für das Hilfesystem erhöht. Ab dem kommenden Jahr wird – vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags – die neue Gewaltambulanz Heidelberg mit 150.000 Euro im Jahr gefördert. In der Gewaltambulanz haben Gewaltopfer rund um die Uhr die Möglichkeit, sich rechtsmedizinisch untersuchen zu lassen. Außerdem werden Beweise und Spuren gerichtsfest dokumentiert und gesichert – auch dann, wenn das Opfer keine Anzeige erstattet hat. Darüber hinaus wird das Land – zusätzlich zu bereits bestehenden Förderungen – ab dem kommenden Jahr Projekte von Fachberatungsstellen gegen häusliche und sexuelle Gewalt bezuschussen, damit noch mehr Frauen ein niedrigschwelliger und unkomplizierter Zugang zu Beratungsangeboten ermöglicht wird.
Auch die Förderung der Frauen- und Kinderschutzhäuser wird weiterführen. Die Bezuschussung der Kosten von Frauenhäusern für Prävention, Nachsorge und eine qualifizierte Notaufnahme wurden von Grün-Rot bereits 2013 um 500.000 Euro auf mehr als 1,1 Mio. Euro im Jahr erhöht. Da die Finanzierung von Frauen- und Kinderschutzhäusern aufgrund fehlender verbindlicher Finanzierungsregelungen durch den Bund vielerorts auf wackligen Beinen steht, setzt sich die Landesregierung BW auf Bundesebene für eine einheitliche Finanzierungsregelung für die Unterbringung von Frauen in Schutzhäusern ein.

„Gewalt an Frauen ist keine seltene Randerscheinung in unserer Gesellschaft sondern prägt den Alltag vieler Frauen in Deutschland und weltweit. Unsere Gesellschaft darf Gewalt gegen Frauen nicht hinnehmen. Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit, auf Leben, Sicherheit und Würde. Der Landesaktionsplan wird sehr dazu beitragen, Frauen und Kindern in Baden-Württemberg ein Leben ohne Gewalt zu ermöglichen“, stellt Schneidewind-Hartnagel fest.
Ergänzende Informationen:
Nach einer vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen Studie sind 40 Prozent aller Frauen ab 16 Jahren in Deutschland mindestens einmal Opfer körperlicher und/oder sexueller Gewalt geworden. Polizeiliche Kriminalstatistiken und Dunkelfeldstudien zeigen, dass Frauen besonders häufig Opfer häuslicher Gewalt werden. Jede vierte Frau wird im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt durch ihren aktuellen oder ehemaligen Ehe- oder Lebenspartner. Für Baden-Württemberg führt die Kriminalstatistik für 2013 9.079 Delikte häuslicher Gewalt an Frauen ab 16 Jahren auf. Außerdem wurden 595 Delikte sexueller Gewalt, 6 Fälle von Zwangsverheiratung und 29 Fälle von Menschenhandel/ Zwangsprostitution registriert. Dunkelfeldstudien kommen jedoch zu dem Schluss, dass die tatsächliche Zahl der Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt um das bis zu 8-14-fache höher liegt. Auch Zwangsverheiratung und Menschenhandel werden nur in den seltensten Fällen angezeigt.

 

Quelle: PM vom 25.11.2014

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