Fabrikverkaufszentrum bleibt unzulässig

Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26.03.2013:

Geplantes Fabrikverkaufszentrum in den ehemaligen Messehallen in Sinsheim

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat das Zielabweichungsverfahren für ein geplantes Fabrikverkaufszentrum in Sinsheim abgeschlossen und mit Beschluss vom 25.03.2013 die Zulassung von Abweichungen von raumordnerischen Zielen abgelehnt. Hiermit bleibt es der Stadt Sinsheim verwehrt, mittels eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für das geplante Fabrikverkaufszentrum zu schaffen.

Bekanntlich beabsichtigt ein Investor, auf dem ehemaligen Messegelände in Sinsheim ein Fabrikverkaufszentrum zu errichten. Im sogenannten „Designer Outlet Center Sinsheim“ (DOC Sinsheim) sollen nach den Planungen auf 10.000 m² Verkaufsfläche hauptsächlich Bekleidung inklusive Sportartikel, Schuhe und Lederwaren angeboten werden. Darüber hinaus soll das Angebot aber auch andere Sortimente, wie zum Beispiel Heimtextilien, Haushaltswaren und Spielwaren umfassen und ergänzt werden durch Gastronomieflächen und Dienstleistungsangebote.

Die Stadt Sinsheim unterstützt die Planung des Investors und möchte hierfür die bauplanungsrechtlichen Grundlagen durch Änderung des für diesen Bereich geltenden Bebauungsplanes schaffen. Dem stehen jedoch überörtliche Planungen entgegen. Sowohl im Landesentwicklungsplan 2002 Baden-Württemberg wie auch im Teilregionalplan „Einzelhandel“ des Verbandes Region Rhein-Neckar sind Regelungen zur Standortsteuerung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben (sogenannte Einzelhandelsgroßprojekte), wozu auch Fabrikverkaufszentren zu zählen sind, enthalten. Diese zielen darauf ab, dass sich großflächige Einzelhandelsprojekte in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen. Aufgrund der raumordnerischen Festlegungen wäre das Vorhaben in der Stadt Sinsheim, die ein Mittelzentrum ist, nur bei einer Zulassung von Abweichungen von raumordnerischen Zielen durch das Regierungspräsidium möglich.

Im Einzelnen bestehen vier zentrale Vorgaben zur Standortsteuerung großflächiger Einzelhandelsvorhaben:

–    Fabrikverkaufszentren sind grundsätzlich nur in Oberzentren zulässig. Nur ausnahmsweise und nur bis zu einer Geschossfläche von 5.000 m² können sie in Mittelzentren zugelassen werden (hier relevanter Aspekt des Konzentrationsgebots),

–    Die Verkaufsfläche von Einzelhandelsgroßprojekten soll so bemessen sein, dass deren Einzugsbereich den zentralörtlichen Verflechtungsbereich nicht wesentlich überschreitet (Kongruenzgebot),

–    Ein Vorhaben darf die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich und die Funktionsfähigkeit anderer zentraler Orte nicht wesentlich beeinträchtigen (Beeinträchtigungsverbot),

–    Regionalbedeutsame Einzelhandelsgroßprojekte mit zentrenrelevanten Sortimenten dürfen nur in den in der Raumnutzungskarte gebietsscharf dargestellten zentralörtlichen Standortbereichen angesiedelt werden (Integrationsgebot).

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat festgestellt, dass das geplante Vorhaben von diesen vier Ge- und Verboten drei, nämlich das Konzentrationsgebot, das Kongruenzgebot sowie das Integrationsverbot eindeutig verletzt. Es ist weiterhin zu dem Ergebnis gekommen, dass mit dem dem Zielabweichungsantrag zugrunde liegenden Gutachten nicht überzeugend dargelegt ist, dass das Beeinträchtigungsverbot eingehalten wird. Vielmehr bestehen auch insoweit Zweifel. Mit dem Fabrikverkaufszentrum drohen Umsatzverluste im zentrenrelevanten Einzelhandel umliegender Gemeinden, die an der Schwelle zur Existenzbedrohung dortiger Geschäfte liegen.

Angesichts dieser Ausgangssituation sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung von Abweichungen von den genannten raumordnerischen Vorgaben nicht gegeben, weil diese damit in ihrer Gesamtheit unbeachtet blieben. Hierdurch würden sowohl die Grundzüge der gegebenen Raumplanung berührt als auch die maßgebliche gesetzliche Vorgabe verletzt, wonach die Raumplanung ihrerseits an dem System der zentralen Orte – also die Wahrnehmung von Versorgungsaufgaben in verschiedenen qualitativen Abstufungen, wie etwa Klein-, Unter-, Mittel- und Oberzentren – auszurichten ist.

Letztlich sind die Abweichungen des Fabrikverkaufszentrums von den raumordnerischen Vorgaben zu groß, um dahingehende Zielabweichungen noch zulassen zu können. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat in seinem Ablehnungsbeschluss auch betont, dass die seitens der Stadt Sinsheim vorgenommene Fokussierung auf das Beeinträchtigungsverbot eine zu enge Sichtweise darstellt. Denn raumordnerisch geht es nicht nur darum, unmittelbare Nachteile, die von einem Vorhaben ausgehen, abzuwenden. Vielmehr haben die raumordnerischen Vorgaben auch die Aufgabe, eine positive Entwicklung hin zu einer dauerhaft und nachhaltig funktionierenden Infrastruktur im Raum sicherzustellen. Um die dahingehenden mittelbaren und langfristigen Ziele der Raumordnung nicht zu gefährden, ist grundsätzlich auch die Einhaltung der anderen genannten raumordnerischen zentralen Vorgaben neben dem Beeinträchtigungsverbot essentiell, selbst wenn sich bei Abweichungen hiervon keine unmittelbaren Auswirkungen zeigen, diese vielmehr erst mittel- und langfristig erfolgen. Demgegenüber werden die in dem Zielabweichungsantrag genannten und von der Stadt besonders betonten touristischen Aspekte seitens des Regierungspräsidiums Karlsruhe rechtlich als von minderem Gewicht angesehen.

Das Regierungspräsidium hat vor seiner Entscheidung zahlreiche Kommunen und Verbände, die von dem Vorhaben berührt sein können, angehört. Die eingegangenen Stellungnahmen waren fast durchweg deutlich ablehnend. So sprachen sich u. a. die Städte Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Eppingen, Mosbach, Bad Rappenau, Bad Schönborn, Bietigheim-Bissingen, Bruchsal, Ludwigsburg, Hockenheim, Neckarsulm, Wiesloch, Landau in der Pfalz, Speyer, der Landkreis Karlsruhe, der Neckar-Odenwald-Kreis, die Metropolregion Rhein-Neckar, der Regionalverband Mittlerer Oberrhein, der Regionalverband Heilbronn-Franken, der Verband Region Rhein-Neckar, der Verband Region Stuttgart, der Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim, die IHK Rhein-Neckar, die IHK Heilbronn-Franken, die IHK Karlsruhe und mehrere Einzelhandelsverbände gegen das Vorhaben aus.

Die Stadt Sinsheim hat nun die Möglichkeit, gegen den Beschluss innerhalb eines Monats beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage zu erheben.

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