„Die soziale Sicherung muss neu aufgestellt werden“

Sozialpolitiker Wolfgang Strengmann-Kuhn präsentierte in Wiesloch „Grüne Sozialpolitik“

Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander, Globalisierung und Digitalisierung verändern Arbeitswelt und Gesellschaft. Dass vor diesem Hintergrund die soziale Sicherheit vielen Bürgern besonders unter den Nägeln brennt, weiß auch der Bundestagskandidat der Grünen im Wahlkreis Rhein-Neckar, Memet Kilic. Als ausgewiesenen Fachmann hatte er den sozialpolitischen Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion Wolfgang Strengmann-Kuhn nach Wiesloch ins „Soccer4You“ eingeladen.

Kilic erinnert daran, dass sich der Frankfurter Bundestagsabgeordnete in seiner Zeit als Wissenschaftler intensiv mit dem Thema Armut befasst und Lösungsvorschläge entwickelt hatte. Vieles davon finde sich im grünen Wahlprogramm wieder, das – wie Gabriela Lachenauer vom Grünen Ortsverband Wiesloch eingangs betont hatte – druckfrisch auslag.

Von Bürgerversicherung bis Grundeinkommen dekliniert Strengmann-Kuhn die grüne Sozialpolitik durch, nennt dabei jede Menge Zahlen und auch einen gemeinsamen Nenner: die Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen. Dass es uns so gut geht liege auch daran, dass die geburtenstarken Jahrgänge (noch) im Erwerbsalter sind, macht der Sozialpolitiker, mit Jahrgang 1964 selbst Babyboomer, klar und fordert: „In den nächsten vier Jahren muss die soziale Sicherung neu aufgestellt werden.“

Um sie auf eine breitere Basis zu stellen wollen die Grünen die Sozialversicherung schrittweise zu einer Bürgerversicherung für alle Einkommensarten weiterentwickeln. Auch Selbständige, Abgeordnete und Beamte würden einzahlen. Zur Finanzierung sollen neben den Arbeits- künftig auch die Vermögenseinkommen einbezogen werden.

20 Prozent betrage der Anteil der Kinder, die als arm gelten. „Mangelnde Teilhabe und Ausgrenzung haben langfristige Folgen“, warnt Strengmann-Kuhn. Die Stärkung der Kinder im grünen Familienbudget sei zentral. Es soll Familien entlasten, die Förderung gerechter machen und durch einen Kindergeld-Bonus für Familien mit geringem Einkommen das Existenzminimum von Kindern sichern.

Verbessert werden soll auch die Versorgung weiterer schlecht abgesicherter Bevölkerungsgruppen wie die steigende Zahl Selbständiger mit geringen Einkommen oder Frauen, die in einem Arbeitsleben im Durchschnitt weniger als halb so viel verdienen wie Männer. 3,4 bis vier Millionen Menschen, die erwerbstätig seien, bezögen ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze.

Damit all diesen Menschen nicht die Altersarmut droht, wollen die Grünen die Ansprüche aufstocken und eine Garantierente einführen, die ohne Bedürftigkeitsprüfung auskommt. „Das unterscheidet uns von allen anderen Parteien“, betont der Sozialpolitiker.

Strengmann-Kuhn bekennt sich zu einem Grundeinkommen als nicht bedürftigkeitsgeprüfte Leistung. Dieses könnte als neue Basis des Wirtschaftens Kreativität freisetzen. Sanktionen könnten abgeschafft und Jobcenter zu Dienstleistern der Arbeitsuchenden werden. Erste Ergebnisse eines Projekts in Finnland mit 2000 Arbeitslosen zeigten, dass die Menschen sich eher befreit fühlen, selbständiger werden und leichter Arbeit finden.

Das Grundeinkommen sei das beste Mittel um der AfD das Wasser abzugraben, ist der Abgeordnete überzeugt. Doch bei dem Thema seien sich die Grünen noch nicht einig, beschlossen worden sei vorerst, die gesellschaftliche Debatte über ein Grundeinkommen mit einem Modellprojekt zu befördern.

In der spannenden Diskussion ging es unter anderem um die praktische Umsetzung der Konzepte, die lange etablierte Bürgerversicherung in der Schweiz und um die Einbeziehung der europäischen Ebene.

 

Bild: Strengmann-Kuhn, Kilic

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