Deutschland verspricht die Unternehmen in der Coronakrise zu stützen – schnürt den Erneuerbaren Energien jedoch weiter die Luft ab.
Stefan Geißler – 4.5.2020
Derzeit plant Deutschland Förderungen von ungeahntem Ausmaß, um Unternehmen durch die Coronakrise hindurch zu stützen. Dreistellige Milliardensummen werden bereitgestellt und Bundeswirtschaftsminister Altmeier (CDU) versichert, kein gesundes Unternehmen werde von der Bundesregierung fallen gelassen.
Und während die Idee breite Zustimmung findet, dass diese Maßnahmen insbesondere zukunftsträchtigen Wirtschaftszweigen zugutekommen müssen, scheint dies ausgerechnet für die Erneuerbaren Energien nicht zu gelten; im Gegenteil: deren Chancen werden durch willkürliche und fatale Regelungen künstlich beschnitten.
„Der PV-Deckel muss weg“, denn gekettet an unsinnige Blockaden wird der Kampf gegen den Klimawandel schwer. Zeichnung © Michael Hüter.
Derzeit gilt bei der Solarenergie der sogenannte „52GW Deckel“, der dem Ausbau dieser ebenso nötigen wie zukunftssicheren Energie in Deutschland eine Obergrenze verordnet. Der „52GW Deckel“ bezieht sich auf eine Regelung im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG), die vorsieht, dass bei einem Erreichen von 52 GW installierter Leistung in Deutschland im Bereich Photovoltaik weitere Anlagen keinen Vergütungsanspruch für den erzeugten Strom mehr hätten. Diese 52 GW Leistung könnten erfreulicherweise schon in zwei Monaten erreicht sein. Wird der Deckel allerdings bis dahin nicht aufgehoben, so könnte dies fatale Folgen für Betriebe und Beschäftigung sowie für die Fortsetzung der Energiewende in Deutschland haben.
Dabei hat die Regierung die Aufhebung des Deckels bereits im September 2019 beschlossen – umgesetzt ist dies jedoch nach wie vor nicht, was für massive Unsicherheit in der Solarbranche sorgt. Umsetzungsfähige Projekte werden nicht angegangen; Investoren, Privatleute und Betriebe warten ab, ob die Streichung des Deckels auch tatsächlich kommt. Häufigste genannte Ursache für diese Verunsicherung ist laut Carsten König, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Solarwirtschaft, der nahende Solardeckel, während sich das Corona-Virus bislang kaum dämpfend auf die Nachfrage nach Solarstromanlagen auswirke. Es scheint also, in Deutschland braucht es gar kein Coronavirus, damit ein Industriezweig in Schwierigkeiten kommt – das erledigt im Falle von ansonsten gesunden und zukunftsträchtigen Branchen wie der Photovoltaik eine kurzsichtige und lobbygesteuerte Wirtschaftspolitik auch im Alleingang.
So droht bei der Solarenergie die Wiederholung der Abwärtsentwicklung der Windenergie in den letzten Jahren, bei der die Regierung durch ein Vielzahl von Maßnahmen wie zuletzt der Abstandsreglung von 1km von Windkraftanlagen zu jeglicher Bebauung (in Bayern nochmal zusätzlich verschärft durch die „10H-Regel“, mit der der zulässige Mindestabstand auf die zehnfache Höhe der Windräder erhöht wird), den Ausbau zuletzt massiv gebremst hat. Dadurch wiederum wurde die deutsche Windenergieindustrie mehr oder weniger außer Landes getrieben, obwohl sie in den ersten Jahren des Jahrhunderts einen spektakulären Aufschwung genommen hatte, sich eine weltweite Spitzenposition erarbeitet und zehntausende von zukunftsfähigen qualifizierten Arbeitsplätzen geschaffen hatte. Der so dringend benötigte Ausbau der Windenergie als einer entscheidenden Säule für die Energiewende wurde dadurch in den letzten Monaten fast völlig zum Stillstand gebracht, die entsprechenden internationalen Märkte von Anbietern aus dem Ausland übernommen.
Ein ähnliches Desaster droht sich also derzeit bei der Solarenergie zu wiederholen, der zweiten wichtigen Säule für eine Wende hin zu einer erneuerbaren, klimaneutralen Energiewende in Deutschland. Eine prinzipiell vorliegende Einigung wird in der Bundesregierung im Wesentlichen von der CDU blockiert, die eine Entscheidung bei Solar von einer Einigung beim Thema Windenergie abhängig macht. (-> vgl.). „Diese ‚Geiselnahme‘ hat die Solarwirtschaft kurz vor Erreichen des Solardeckels mittlerweile in eine akute Notlage gebracht.“, so Carsten König.
Deutschland muss nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes bei der Energiewende in den nächsten Jahren Tempo machen. Die Erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne sind inzwischen kostengünstiger als die fossilen, die entsprechenden Märkte weisen starkes Wachstum weltweit auf und wären auch für deutsche Unternehmen ein attraktives Betätigungsfeld für die nächsten Jahrzehnte. Stattdessen droht Deutschland hier ein weiteres Mal wegen kurzsichtigen Festhaltens an überkommenden Technologien und Strukturen wie der Kohleverstromung Chancen liegenzulassen und teures Geld der Steuerzahler statt dessen in die Industrien von gestern zu versenken.
Daher gilt: #DerPVDeckelMussWeg – wie auch die pauschale 1km Abstandsregelung bei der Windenergie. Ohne eine drastische Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und dabei auch der Solarenergie sind die Ziele, die sich Deutschland im Bereich Klimaschutz gesetzt hat, nicht erreichbar. Eine 100% Erneuerbare Energieversorgung in Deutschland lange vor 2050 muss das Ziel sein und dieses Ziel ist erreichbar, wenn konsequent Hemmschuhe dieser Art abgebaut werden.
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